Unvollendeter Lebenslauf von Frieda Goebel, verehelichte Vogt

Sie wurde am 24.12.1903 in Pannwitz-Häselei, Kr. Trebnitz, geboren und ist am 01.08.1985 verstorben. Sie war die Ehefrau von Reinhold Vogt, der am 29.06.1900 in Althof, Kr. Wohlau, geboren wurde und am 31.07.1965 verstorben ist. Die beiden hatten vier Söhne, von denen einer Reinhard Vogt ist, der diese Lebenserinnerungen für die Homepage über Kottwitz zur Verfügung gestellt hat. In einem Nachwort zu dem umvollendeten Lebenslauf seiner Mutter schreibt er:

"Leider ist es unserer Mutter nicht mehr möglich gewesen, ihren Lebenslauf zu vollenden. Es wäre für uns interessant gewesen, den weiteren Verlauf in Kottwitz bis zu ihrer Heirat und danach zu erfahren.

Trotz ihrer schweren Kindheit und den Strapazen von Flucht und Vertreibung und den Folgen der Nachkriegszeit hat sie noch ein ansehnliches Alter erreicht."

 

 

Häselei war das Vorwerk von Pannwitz. Auf dem folgenden Scan einer alten Ansichtskarte ist der rechts der Gasthof von Friedrich Kasenow zu sehen:

 

Mein Lebenslauf vom 4.Lebensjahr an:

Meine Eltern waren Robert Goebel und Frau Anna, geb. Mikulle, wohnhaft in Pannwitz, Kr. Trebnitz, Ortsteil Häselei, ca. 2 km vom Dorf entfernt.

In dem Ort waren bloß vier Familien. Sie hießen: Lattner, Hepner, Michel und Goebel. Jeder hatte bloß 5 Morgen Land, Hof und Garten. 1  1/2 km weiter war noch ein Gasthaus, nahe an dem Fluß Weide, der in die Oder mündete. Im Sommer war viel Verkehr, und Schiffer landeten am Oderufer und kamen mit Kähnen über die Weide gefahren.

Die Gastwirtsleute hießen Kesenof und hatten drei Töchter. Sie waren schon älter und gingen schon in die Schule. Die Jüngste kam immer zu uns und hat mit uns gespielt.

Ich war 4 Jahre, meine Schwester Emma drei Jahre. Im Mai 1906 kam die dritte Schwester zur Welt und bekam den Namen Meta. Sie wurde nur 1/2 Jahr alt. Meine Eltern hatten mit den Flegeln Getreide gedroschen, und Meta hatte im Wagen im geschlafen. Meine Mutter ging mal sehen, ob sie noch schläft, sie hatte sich das Bett über den Kopf gezogen und war erstickt.

Später fühlte sich meine Mutter nicht gesund. Sie ging auch dann mit dem 4.Kinde. Mit der Krankheit wurde es immer schlimmer, und sie mußte ins Krankenhaus nach Breslau in die Max-Klinik. Die Ärzte hatten festgestellt, daß sie Tbc hat. Die Ärzte hatten beschlossen, das Kind zu nehmen, vielleicht wird es besser, aber es war ihr Tod.

Nun stand mein Vater da mit uns zwei Mädeln. Die Großmutter war kurzsichtig und war auch nicht gesund. Dem Vater blieb nichts anderes übrig, wenn er den Verlust meiner Mutter etwas überstanden hatte, sich wieder um eine Frau umzusehen, damit wir wieder eine Mutter bekamen. Eines Tages hatter er doch erfahren, daß in Kottwitz noch eine Frau für ihn wäre, mit Namen Martha Härtel.

Mein Vater hatte ein Pferd und auch einen Spazierwagen, einen offenen Korbwagen. Das Pferd war erst 2  1/2 Jahre alt, ein polnischer Schimmel. Eines Tages hat mein Vater eingespannt und ist mit uns zwei Mädeln gefahren zur Härtel Martha, sie wurden auch bald einig. Sie hatten in alle Stille geheiratet, und wir hatten eine Stiefmutter. Sie war sehr gut zu uns, bloß es war ihr zu einsam in der Häselei.

Der Nachbar Michel hatte einen kleinen schwarzen Dackel, er hieß Teckel. Der Hund hing so an mir. Ich hatte immer mit ihm gespielt, und eines Tages waren wir beide verschwunden. Vater hatte alles abgesucht, aber wir waren nirgends zu finden. Am anderen Tag bekamen sie Nachricht, daß wir in Pannwitz im Gasthaus gelandet waren. Die Gastwirtin hatte sich's gedacht, woher wir kamen. Vaters Schwester wohnte auch in Pannwitz und hatte auch eine Wirtschaft. Die Tante kam uns holen aus dem Gasthaus und hatten übernachtet. Am anderen Tag kam uns Vater holen mit dem Wagen.

Von den vier Familien, die hier wohnten, standen die Häuser mitten in dem gräflichen Gelände, wo man weit und breit sah. Das ganze Gelände nach Pannwitz gehörte den Geschwistern Grafen von Asseburg. Die vier Familien mußten alle in die Arbeit gehen, von den 5 Morgen konnten sie nicht bestehen. Graf von Asseburg kam öfters in die Häselei zu den Leuten, daß sie ihm die Besitzungen verkaufen sollen, er würde sie gut bezahlen. Aber sie mußten sich erst etwas besorgen, damit sie wohnen konnten.

Der Lattner weiß ich nicht, wohin der gemacht hat. Der Hepner hatte sich in Groß-Muritsch eine kleine Wirtschaft gekauft, Michel hatten sich Kottwitz ein Einfamilienhaus gebaut.

Mein Vater hatte Glück, in Kottwitz war eine Landwirtschaft zu verkaufen, 7 ha. Mein Vater hatte sich darum beworben und hatte sie gekauft, sie kam 21000 M.

In Häselei hatte jeder für seinen Besitz 11000 M. vom Grafen erhalten.

Sonst hatte mein Vater in Ransern beim Förster Arbeit, der wohnte im Vorwerk. In Kottwitz die Wirtschaft war sehr runtergewirtschaftet. Mein Vater hatte zwei Kühe mitgebracht und das Pferd, da hat er sich noch ein junges Pferd dazu gekauft, das war im Jahre 1909.

Ich trat in die Schule ein. Wo ich dann schon 10 Jahre war, lehrte er mich, mit den Pferden zu fahren und auch, im Sandboden den Pflug zu halten. Später lehrte er mich, mit der Sense zu mähen.

Ehe der erste Weltkrieg kam, wurde mein Vater kränklich. Er klagte nicht, aber man sah es ihm an.

1914 kam der erste Weltkrieg, und es gab vieles nicht mehr zu kaufen, alles auf Marken. Mein Vater hatte immer ein Gläschen Schnaps getrunken, wenn die Schmerzen wiederkamen. Aber es gab keinen mehr zu kaufen. In Pannwitz, der Gastwirt Jeltsch, kannte meinen Vater gut und hatte ihm immer ein Liter alle zwei Wochen verkauft. 3 Mark war der Preis, meine Schwester Emma und ich haben ihn immer geholt.

Das Jahr 1917 hatten wir in der Ernte so eine Hitze. Den einen Tag hatten wir angefangen einzufahren, ich hab immer rangefahren. Meine Mutter hat gespiest, und mein Vater hatte geladen. Vater wollte gerade auf den Weg fahren, fing das braune Pferd an zu schreien, fiel um und war tot. Es hatte Lungenschlag. Das hatte den Vater richtig krank gemacht. Pferde gab es schlecht zu kaufen im Kriege. Der Reichelt hatte einen Zugochsen zum Verkauf, und Vater hat ihn gekauft. Der Stiefsohn Lode Gustav hatte den Ochsen immer so traktiert und war schlägefaul, der blieb ganz einfach auf dem Wege stehen. Das hat den Vater richtig fertig gemacht.

Die Nachbarn hatten Vater gut zugeredet, er soll mal nach Breslau fahren in die Max-Klinik zur Untersuchung. Er war Ende November 1917 gefahren, und sie hatten ihn bald dabehalten. Aber es war zu spät zum Operieren. Er hatte Magenkrebs, alles schon vereitert. Am 11.Januar 1918 starb mein Vater und im März 1918 kam ich aus der Schule. Meine Schwester mußte noch ein Jahr gehen, da stand meine Stiefmutter da mit uns zwei Mädeln.

 

Hier enden die Lebenserinnerungen von Frieda Vogt, geb. Goebel

 

Im Mai 1945, nach Kriegsende, zogen viele geflüchtete Kottwitzer vom Sudetenland wieder nach Schlesien zurück.

Seit dieser Zeit ist Frau Martha Goebel, geb. Härtel, geboren am 27.04.1872, verschollen.

 

 

 

 

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